Interview mit Dr. Bernd Schuster in der „Münchner Sprechstunde“, Ausgabe 01/07

„Schlaf ist eine aktive Leistung des Organismus.“

Wer zu wenig schläft, riskiert schwere Erkrankungen. Oft hilft ein kleiner operativer Eingriff.

Der Mensch verschläft rund ein Drittel seines Lebens – ungefähr 24 Jahre. Im Schlaf erholen wir uns und verarbeiten das tagsüber Erlebte. Doch jeder Vierte klagt über Schlafstörungen. Wer damit nicht frühzeitig zum Arzt geht, riskiert schwere Erkrankungen. Doch es ist nicht immer der Stress, der uns um die Nachtruhe bringt. Nach Einschätzung von Dr. Bernd Schuster, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, liegen häufig organische Gründe vor.

Herr Dr. Schuster, warum ist Schlafen für den Menschen eigentlich so wichtig?

Dr. Schuster: „Der Schlaf ist kein passiver Zustand, sondern eine aktive Leistung des Organismus. Unzählige Zellen und Nervenverbindungen sind aktiv, teilweise sogar mehr als tagsüber. Die vegetativen Funktionen erfüllen nach wie vor ihre Leistungen, einige jedoch auf Sparflamme. Im Schlaf laden sich unsere Batterien wieder auf. Heute werden von jedem Einzelnen hohe Leistungen gefordert, viele leiden unter Stress und Hektik. Da ist die Regeneration durch das Schlafen besonders wichtig.“

Was passiert, wenn wir nicht genügend schlafen?

Dr. Schuster: „Am Anfang machen sich Tagesmüdigkeit, Unwohlsein und Antriebsschwäche bemerkbar. Betroffene sind schneller erschöpft, sie haben eine geringere Konzentrationskraft und werden vergesslicher. Bei anhaltenden Schlafstörungen werden manche Patienten reizbar oder sogar aggressiv. Es kann zu Depressionen und Angstzuständen kommen. Auch Muskelschmerzen sind möglich. Mittelfristig drohen ernsthafte Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, bis hin zum Herzinfarkt oder Schlaganfall.“

Und was raubt uns den Schlaf?

Dr. Schuster: „Es gibt viele mögliche Gründe, warum jemand schlecht einschläft, unruhig schläft oder zu früh aufwacht. Die Medizin unterscheidet zwischen organisch, psychisch und chemisch verursachten Schlafstörungen. Ich nennen Ihnen einige Beispiele. Eine organische Ursache liegt vor, wenn ein Betroffener starke Schmerzen hat, unter Bluthochdruck leidet oder Probleme mit der Atmung hat. Psychische Ursachen wären Panikattacken oder Versagensängste. Auch die Einnahme von bestimmten Medikamenten kann den Schlaf hemmen. Das wäre eine chemische Ursache.“

Wie erkennen Sie, woher die Schlafstörungen kommen?

Dr. Schuster: „Mit Hilfe der so genannten Polygraphie finden wir heraus, ob es eine organische Ursache wie eine gestörte Atmung gibt. Bei dieser Untersuchung zeichnen wir mit Hilfe eine tragbaren Geräts während des Schlafs Daten des Patienten auf. Dazu gehören Atemfluss und Atembewegungen, Schnarchen, Sauerstoffsättigung im Blut, Herzfrequenz und Körperlage. Anschließend werten wir diese Daten aus. Häufig sind die oberen Atemwege zu eng oder fallen durch mangelnde Elastizität zusammen.“

Wie kann die Medizin hier helfen?

Dr. Schuster: „Bei ausgeprägten Atemaussetzern muss der Patient nachts mit einer Maske versorgt werden, die die Atemwege aufhält. Bei geringeren Befunden können minimal-invasive Maßnahmen am Zungengrund, am Gaumensegel und an den Schwellkörper der Nase durchgeführt werden. Ein neues Verfahren aus den USA hat sich hier besonders bewährt – die Coblation. Damit können wir die Partien straffen oder verkleinern und so mehr Raum für die Atmung schaffen. Im Einzelfall ist auch die Versteifung des Gaumensegels mit kleinen Implantaten zu erwägen. Dieses sogenannte Pillar-Verfahren ist in örtlicher Betäubung durchzuführen.“

Wie funktioniert die Coblation genau?

Dr. Schuster: „Bei der Coblation wird weiches Gewebe unter Einsatz von Radiofrequenzenergie und Kochsalzlösung abgetragen. Die Coblation hat nichts mit einem Laser zu tun! Ganz im Gegenteil: Bei der Coblation liegen die Temperaturen zwischen 40 und 70 Grad, so dass keine Gewebeverbrennungen entstehen, die zu stärkeren Schmerzen führen können.“

Welche Vorteile hat das Verfahren für Ihre Patienten?

Dr. Schuster: „Seitdem wir mit Coblation arbeiten, hat sich die Zahl der stationären Eingriffe stark verringert. Wir behandeln viel häufiger ambulant. Der Vorteil für die Patienten liegt auf der Hand: Sie können nach dem Eingriff wieder nach Hause, die Wunden heilen schneller und die Schleimhaut bleibt vollständig erhalten.